Impressionen 2010

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Jaane Christensen, Fotografie

Lerchenstraße 28


Die Bilder der Künstlerin Jaane Christensen haben etwas Irritierendes, Changierendes.
Das Changierende liegt zuerst im Wechsel des Geschlechts. Da zeigt sich nackte Haut in Positionen und Rollen, die gewohnheitsgemäß von Frauen übernommen worden waren oder in die sie hineinmodelliert worden waren von Bildhauern und Malern. Das Zitieren von Künstlern wie Velázquez, da Vinci oder Rodin in der Übernahme von Stellungen, die deren Modelle einnahmen, von Kopf-, Handhaltungen, von Bildarrangements führt zum gleichzeitigen Zitieren von Sehgewohnheiten und Erwartungen in uns Beobachtern. Der Blick glaubt sich auf vertrautem Terrain.
Vertrauend auf ein bekanntes Schema, erhofft er sich nackte Haut weiblicher Objekte der Sehnsucht, der Gier.
Fündig wird er im Faltenknick der Taille, in den Rundungen der Schultern, im fast perfekten Kreisrund der Pobacke, voll und prall ins Zentrum des Bildes platziert.
Nichts hält den Blick des Betrachters auf, der auf seiner tradierten Blickschiene den Linien eines nackten Frauenkörpers folgt und der nichts dabei findet an diesem "männlichen" Blick auf die Frau, auf ein vom Künstler in sie hinein arrangiertes Gefallen. Das Arrangement besteht darin, sie auszuziehen, sie hinzudrücken in Stellungen, in denen sie ihm präsentiert, was ihm gefällt, in denen sie sein Gefallen weckt; - ein Gefallen weckt sie, das vorab schon da war und in ihr Arrangement mündete, sodass sie bestätigt, was er von ihr will. Doch nun kommt bei Christensen die Irritation.
Die nackte Haut gehört hier einem Mann.
Das Zitat der Frauenrollen und deren Gefallpositionen funktioniert von der Ferne, denn von dort dominiert der Gesamteindruck eines Nacktseins. In der Nähe erweist sich die „Frau“ als Mann. Da ändert sich mit dem Wechsel des Geschlechts auch die Art des Blicks: das unvermutete männliche Objekt stößt vielleicht sogar ab, aber nur, weil es Erwartungen enttäuscht. Gleichzeitig macht solche Ent-Täuschung uns Betrachtern uns selbst bewusst und wirft uns auf uns selbst zurück. Der Blick der Sehnsucht, der Lust oder Gier, der hätte ganz beim Objekt bleiben können (und damit bei der Sehnsucht, der Lust, der Gier), erkennt sich plötzlich als zu einem Subjekt gehörig voller Lust und Gier.
Der Blick eröffnet also eine zweite Dimension, indem er auf den Blickenden zurückblickt, der sich selbst ergreifen und begreifen muss.
Was ist nun was?
Die vermeintliche Frau ist ein Mann.
Das Lustobjekt verweigert seinen Objektstatus, indem es die Lust bewusst macht (und nicht etwa weckt!).
Das Subjekt des Handelns (der Voyeur) muss sich mit sich selbst auseinandersetzen.
Dies fällt nirgends leicht; im Leben nicht, vor Fotografien auch nicht.
Aber in einer solchen Provokation erschöpfen sich die Fotos nicht. Das Modell Christoph mag als Muse der Künstlerin Christensen ebenso von ihr hinarrangiert worden sein wie seine Musen-Vorgängerinnen von deren Künstlern. Dadurch hätte sich auch eine Koketterie aus einem Als-ob ergeben können. Tatsächlich finden die Gesten aber in eine simple Gültigkeit, die an das Menschsein gebunden ist, unabhängig von Geschlecht und Zeit. Mit dem Palästinensertuch über den nackten Schenkeln zeigt etwa Christoph eine Erotik, die, unverhüllt, das Verhüllen nur spielt, so, wie sie es wohl immer schon tat. Erinnert er an die Venus?
Natürlich. Aber seine Körperhaltung ist eine auf das Bett gestreckte Geste des in-sich-Seins, die vielleicht älter ist als die Venus von Velàzquez. Sie ist eine Geste des Jederzeit.
Ähnlich kategorienübergreifend ist die in Christoph ausgedrückte Androgynität. Ob lockerer Hocksteckdutt mit sich lösenden Strähnen, ob dicke Zöpfe, in ukrainischer Tomoschenko-Manier um den Kopf gezurrt - die weiblichen Frisuren nehmen, aus der Nähe, nichts von der Männlichkeit des männlichen Modells. Weder verweiblichen sie, noch karikieren sie.
So ist eine Schwebe in diesen Bildern zwischen Männlichem und Weiblichem, zwischen dem Zitieren tradierter Geschlechterrollen und Blickrichtungen einerseits und einer zeitlosen Erotik andererseits, zwischen einer Provokation von uns Zuschauern und einer gleichzeitigen Versöhnung. Die zeigt sich nicht zuletzt auf den Portraits im stillen Blick des jungen Mannes auf uns, der all diese schwebenden Kategorien mit einer großen Selbstverständlichkeit zu tragenvermag. Christensen gelingt es, das Irritierende, Verwirrende an eine Form der Ruhe zu koppeln. Sie zeigt die Beunruhigung als Ruhe." (S.Lambert)

Jaane Christensen

xxx Hamburg
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